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Guided Research Georg Bonczek

Last modified Apr 12, 2021

Machbarkeit der computergestützten Analyse der Lesbarkeit und Verständlichkeit von Patienteninformationen im Kontext klinischer Forschungsvorhaben

 

Klinische Forschungsvorhaben am Menschen sind ein zentraler Bestandteil eines modernen und innovativen Gesundheitssystems. Die Einbeziehung von Probanden und Patienten ist dabei von essentieller Bedeutung, die auf Basis der geltenden Gesetzeslage, einer expliziten Einwilligung bedarf. Die Beratung hierfür erfolgt durch den Arzt und der Patienteninformation, die in verständlicher und nachvollziehbarer Weise verfasst sein muss. Die Patienteninformation wird von einer beratenden Ethikkommission vorab geprüft und weist in vielen Fällen Mängel auf. Diese betreffen inhaltliche, strukturelle, sprachliche und fachliche Probleme. Die Erstellung und Prüfung erfordert sehr viel Aufwand und wird bislang nicht durch Technologie unterstützt. Im Rahmen dieser Forschungsarbeit unter Anleitung, die in einem interdisziplinären Kontext der Informatik, Medizin, Medizinethik und dem Medizinrecht angesiedelt ist, sollen intelligente Methoden und Konzepte beschrieben werden, die die Erstellung und die Prüfung der Patienteninformation erleichtern und dadurch einen Mehrwert für die Antragsteller, die Ethikkommissionen und die Patienten und Probanden liefern, und selektiv implementiert werden.

Eine Entscheidung des Probanden bzw. Patienten zur Teilnahme an einer Studie setzt voraus, dass dieser den Nutzen und die Risiken der vorgeschlagenen Maßnahme einzuschätzen vermag und mit den entsprechenden Werten für Alternativen vergleichen kann. Ziel der Aufklärung ist den Probanden bzw. Patienten in die Lage zu versetzen, frei und autonom darüber entscheiden zu können, ob er den konkreten Eingriff an sich vornehmen lässt oder sich sonstigen therapeutischen Bemühungen des Behandelnden unterwirft.

§ 40 Abs. 2 AMG fordert, dass die eingesetzten Aufklärungsunterlagen auszuhändigen sind, welche “allgemein verständlich sind”. Dieser Grundsatz gilt grundsätzlich für alle Arten von Studien. Demnach erfordert gerade die Vorbereitung einer Studie also eine formularmäßige Fixierung der Umstände, die der Arzt dem Patienten im Wege der Aufklärung zu vermitteln hat. Diese Dokumentation dient zugleich der Kontrolle durch die Ethik-Kommission.

Aus diesen und weiteren ethisch-rechtlichen Voraussetzungen ergeben sich folgende grundlegenden Anforderungen im Bezug auf die Aufklärungsunterlagen im Rahmen medizinischer Forschung:

  • Medizinische Anforderungen (Vermittlung von “Wesen”, “Bedeutung”, “Risiken”, und “Tragweite der Studie”)

  • Ethische Anforderungen (z.B. Respekt gegenüber dem Patienten oder Probanden)

  • Rechtliche Anforderung (z. B. Datenschutz, Versicherung, Haftung)

  • Linguistische Anforderungen (“allgemein verständlich”)

Im Rahmen der Begutachtung von Aufklärungsunterlagen durch die Ethikkommission kommt es zu nicht vernachlässigbaren Umsetzungsproblemen. Gerade die Analyse von bis zu 100-seitigen Aufklärungsunterlagen im Hinblick auf die oben genannten Kriterien führt zu erheblichen Kapazitätsproblemen. Sehr viele Unterlagen sind im Hinblick auf die Anforderungen mangelhaft. Aufgrund der Vielfältigkeit und Masse können derzeit keine idealen Beratungsergebnisse erzielt werden. Mittels intelligenter Software soll daher die Überprüfung der Aufklärungsunterlagen und damit deren Qualität deutlich verbessert werden.

In einem ersten Schritt werden dazu die zur Erstellung von Patienteninformationen nötigen Arbeitsabläufe, beteiligten Rollen, Artefakte und Tools erfasst. Durch Nutzung dieser und weiterer Informationen werden anschließend erste Anforderungen an ein solches System gesammelt um zu erfassen welche konkreten Voraussetzungen (inhaltliche, rechtliche, ethische, linguistische etc.) an Patienteninformationen durch computerimplementierte Systeme geprüft werden sollen. Eine unterstützende Literaturrecherche stellt den aktuellen Stand der Forschung im Bereich der Lesbarkeit und Verständlichkeit von praktischen medizinrechtlichen Texten dar. Im folgenden Schritt wird durch prototypische Implementierungen getestet, inwieweit die Prüfung dieser Patienteninformationen durch moderne Verfahren der Informatik wie Natural Language Processing, sowie regelbasierte und statistische Klassifizierungsverfahren unterstützt werden kann. Die Implementierungen werden dabei auf reale Datensätze die von der Ethikkommission des Klinikums rechts der Isar zur Verfügung gestellt werden, angewendet. Es existiert eine Vielzahl an diversen Kriterien für eine verständliche und fehlerfreie Patienteninformation. Eine Implementierung die alle denkbaren Kriterien umfasst ist für eine Forschungsarbeit unter Anleitung zu umfangreich. Daher werden die durch die Implementierung zu überprüfenden Kriterien im ersten Schritt dieser Forschungsarbeit bestimmt. Denkbar sind hier unter anderem linguistische Merkmale, wie beispielsweise die Satzlänge oder inhaltliche Merkmale, also die Überprüfung der ob gegebene inhaltliche Themen abgedeckt werden. Eine weitere Möglichkeit stellt die Analyse anhand rechtlicher Rahmenbedingungen dar.

Neben einer Einschätzung über die Machbarkeit automatisierter Überprüfung von Patienteninformationen, lassen sich wertvolle Informationen über die Entwicklung eines Tools zur Erstellung solcher Dokumente ableiten. Denkbar ist, den Antragstellern ein solches Tool zur Erstellung der Patienteninformationen vor Einreichung der Unterlagen zugänglich zu machen, damit diese selbst Überprüfungen anstellen können.

Nach erfolgreicher Durchführung der Arbeit können die gefunden Erkenntnisse über die Machbarkeit solcher Tools, zur implementierung Fortgeschrittener und produktionsreifer Systeme genutzt werden. Während der betreuende Lehrstuhl bereits seit vielen Jahren Forschung in der Analyse von rechtlichen Texten betreibt, stellt der interdisziplinäre Kontext der Arbeit die bisher erarbeiteten Konzepte auf die Probe und erfordert die  Konzeptualisierung neuartiger Methoden für die Domäne der Medizin und des Medizinrechts.

Die Forschungsarbeit unter Anleitung hat die Erstellung eines wissenschaftlichen Papiers in englischer Sprache im Umfang von 8-12 Seiten zum Ziel, welches durch die erläuterte prototypische Implementierung umgesetzt wird. Die Einreichung der Arbeit bei themenrelevanten Konferenzen oder wissenschaftlichen Zeitschriften wird ebenfalls angestrebt.

 

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